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Urteil vom Sächsischen Landessozialgericht

 L2 U 127/02 LW/ S 7 U 31/00 LW

 In dem Rechtsstreit

 Ramona Uhlisch .......

- Klägerin und Berufungsklägerin- Prozessbevollmächtigte: ReA B. u.a. Kehl

                                                   gegen

 Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Mittel-Ostdeutschland, vertreten durch

den Geschäftsführer, 15366 Hönow - Beklagte und Berufungsbeklagte-

 

hat der Senat des Sächsischen Landessozialgerichtes auf die mündliche Verhandlung vom

28.April 2005 in Chemnitz durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. E., die

Richterin am LSG Dr. A., die Richterin am Sozialgericht B., den ehrenamtlichen Richter R. und

den ehrenamtlichen Richter M. für Recht erkannt:

 1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des SG's Leipzig vom 19.09.2002 und der Bescheid der Beklagten vom 21.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2000 aufgehoben.

 Es wird festgestellt, dass bei der Klägerin ab 05.08.1996 eine Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.

 Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin wegen dieser Berufskrankheit ab 20.12.2004 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zu gewähren.

 2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen.

 3. Die Revision wird nicht zugelasse

                                                           Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei dem Wirbelsäulenleiden der Klägerin um eine Berufskrankheit (BK) handelt.

Die am 28.04.1962 geborene Klägerin erlernte vom 01.09.1978 bis Juli 1980 den Beruf der Agrotechnikerin/Mechanisatorin und arbeitete nachfolgend von März 1990 bis zum 04.08.1996 im erlernten Beruf, überwiegend als Traktoristin und LKW-Fahrerin. Anschließend bezog die Klägerin 78 Wochen Krankengeld und danach Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Vom 23.05.2000 bis 26.08.2001 erfolgte auf Kosten der LVA Sachsen eine Umschulung zur Bürokauffrau. Hiernach war die Klägerin vom 30.08.2001 bis 31.08.2003 erneut arbeitslos. Seit 27.08.2001 bezieht die Klägerin aufgrund eines Bescheides vom 23.07.2003 eine Berufsunfähigkeitsrente. Die Klägerin führt seit 22.01.2003 zwei Stunden täglich an den Werktagen Reinigungsarbeiten durch.

 

Die Klägerin litt seit Anfang der achtziger Jahre zunächst unter sporadisch auftretenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule (LWS) und seit September 1995 unter andauernden LWS-Beschwerden. Ausweislich ihres Sozialversicherungsaus-weises erfolgten bis 1990 keine ärztlichen Behandlungen wegen Wirbelsäulen-beschwerden. Nach einer Stellungnahme der AOK Sachsen, Grimma, war die Klägerin vom 03.01.1994 bis 07.01.1997 u.a. wegen einer Lumboischialgie, vom 19.09.1995 bis 10.11.1995 wegen eines LWS-Syndroms und einer Lumboischialgie und vom 05.08.1996 bis 12.12. 1997 wegen derselben Diagnose und wegen eines Bandscheibenprolapses bis zur Erschöpfung des Krankengeldanspruches arbeitsunfähig geschrieben.

Die am 24.10.1995 durchgeführte Computertomographie (CT) ergab einen flachen Prolaps im Segment L4/5 und eine geringe Protrusion im Segment L5/S1. Das am 06.08.1996 durchgeführte CT erbrachte den Befund eines Bandscheibenprolapses auch im Segment L5/S1 (Grenzbefund zwischen Protrusion und flachem Prolaps). Daraufhin erfolgte am 09.10.1996 eine Nuklotomie und Prolapsentfernung in diesem Segment. Die Magnetresonanztomographie (MRT) vom 21.05.1997 bestätigte den weiteren Prolaps im Segment L4/5 mit deutlichen narbigen Veränderungen im Spinalkanal. Bei der MRT- Untersuchung vom 09.09.1999 wurde eine diskrete Bandscheibenprotrusion im Segment L4/5 festgestellt. Am Segment L5/S1 war kein Re - oder Restprolaps nachweisbar. Es bestanden jedoch deutliche Narbenstruk-turen mit Ummauerung der linken Nervenwurzel des Segmets L5/S1.

Die CT-Untersuchung vom 21.11.2002 ergab, dass die Zwischenwirbelräume (ZWR) der Segmente L3/4 und L4/5 nicht höhengemindert, der ZWR L5/S1 jedoch in der Höhe gemindert war. Im Segment L3/4 war eine leichte Protrusion ohne kompressive Wirkung, am Segment L4/5 ein kleiner Bandscheiben-vorfall (BSV) mit kompressiver Wirkung und am Segment L5/S1 eine deutliche knöcherne Neurofo-rameneinengung vorhanden. Zwischen Narbengewebe und einem Reprolaps konnten die die Auswertung vornehmenden Radiologen Z. und Dr. W. nicht differenzieren.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chirurg Dr. O. am 22.10.1998 nach Untersuchung der Klägerin ein Gutachten (GA).

 

Bei der Klägerin bestehe eine präsakrale Gefügestörung mit einer diskreten Wurzelreizsymptomatik links und ein mäßiges zervikales Syndrom der oberen und mittleren HWS. Die Anerkennung der BK-Nrn. 2108 - 2110 BKV könne nicht empfohlen werden, da der Krankheitsverlauf und der Befund mit klinischem Betroffen sein auch der HWS und monosegmentalem Prolaps der LWS für eine vorwiegend endogen verursachte Erkrankung spreche. Der Arbeitsmediziner Dr. N. nahm am 30.10.1998 gewerbeärztlich Stellung. Zwar seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK-Nr. 2110 BKV erfüllt,  jedoch lägen die medizinischen Voraussetzungen nicht vor. Der vorliegende medizinische Befund spreche eher gegen eine BK, weil kein belastungstypisches Schadensbild vorliege.

Die Beklagte lehnte mit dem Bescheid vom 21.04.1999 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil bei der Klägerin keine BK vorhanden sei. Zwar sei die haftungsbegründende Kausalität, nicht jedoch die haftungsausfüllende Kausalität für eine BK-Nr. 2110 BKV gegeben. Gegen das Vorliegen einer BK spreche der frühe Beschwerdebeginn wenige Jahre nach der Tätigkeitsaufnahme und das Betroffen sein auch nicht exponierter Wirbelsäulenabschnitte (HWS, BWS). Zudem müsse es sich um mehrsegmentale und nicht - wie vorliegend - lediglich um Veränderungen in einem Segment (L5/S1) handeln. Sie stütze sich auf das Gutachten von MR. Dr. O. und die gewerbeärztliche Stellungnahme. Im Wider-spruchsverfahren holte die Beklagte eine weitere gewerbeärztliche Stellungnahme von Dr. N. ein. Darin empfahl er eine nochmalige Begutachtung.

Auf Veranlassung der Beklagten fertigten der Orthopäde und Direktor der Sektion Physikalische und Rehabilative Medizin der Martin-Luther -Universität H.-W. Prof. Dr. R. und der FA für Physikalische und Rehabilative Medizin Dr. M. am 20.10.1999 nach Untersuchung der Klägerin ein weiteres GA. Sie stellten die Diagnose eines Postdiskotomiesyndroms nach Prolaps-Operation am Segment L5/S1 bei muskulären Dysballancen und primärer Hypermobilität. Die von der Klägerin angegebenen Hexenschüsse 1983 seien nach ausführlicher Befragung durch die Gutachter durch eine schnelle Bewegung bei starker Kälte an der BWS hervorgerufen worden, die jedoch nach kurzer Zeit wieder abgeklungen seien. Zusammenfassend schätzten sie ein, als konkurrierende, nicht beruflich bedingte Erkrankungen fänden sich ein angeborener lumbosakraler Übergangswirbel, eine primäre Hypermobilität mit Gefügestörungen sowie muskuläre Dysballancen, die für die Beschwerden verantwortlich seien. Eine BK der Wirbelsäule liege nicht vor.

Dr. N. nahm am 27.10.1999 nochmals gewerbeärztlich Stellung, die medizinischen Voraussetzungen für eine NK-Nr. 2110 BKV seien nicht gegeben, weil kein belastungstypisches Schadensbild nachweisbar sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.1999 zurück.

Ihr Begehren hat die Klägerin mit der am 23.02.2000 zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt.

 

Für das SG hat Prof. Dr. G., Geschäftsführenden Chefarzt des Zentrums für Traumatologie mit Brandverletzungszentrum des Städtischen Klinikums "St. Georg" L., am 29.01.2001 nach Untersuchung ein weiteres Gutachten (GA) erstattet. Die berufliche Belastung über 18 Jahre stelle eine conditio sine qua non für den derzeitigen Zustand der LWS dar. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung liege vor. Außer der minimalen flachbogigen Seitverbiegung ergäben sich keine bedeutsamen Erkrankungen oder Veränderungen des Skelettsystems. Anlagebedingte Faktoren hätten bei der Entstehung der LWS- Erkrankung nicht mitgewirkt. Die beruflichen Einwirkungen seien vielmehr die wesentliche Ursache für die LWS-Erkrankung. Die berufskrankheitenbedingte Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) betrage 10 v.H..

Auf Veranlassung der Beklagten hat MR. Dr. O. am 02.03.2001 nochmals ergänzend Stellung genommen. Der relativ frühe Beschwerdebeginn, das klinische Betroffen sein auch der HWS und das Fehlen wesentlicher belastungsadaptiver Reaktionen in Form einer erheblichen Osteochondrose sprächen gegen eine BK-Nr. 2110 BKV. Es liege eine partielle Lumbalisation bei S1 vor. Dabei handle es sich um eine Anlagestörung, die als prädisponierend für die Entwicklung einer Bandscheiben-

degeneration anzusehen sei.

Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr. R. am 20.04.2001 nach Untersuchung der Klägerin erneut ein GA erstellt. Die primär hypermobile Wirbelsäule mit hohen Zwischenwirbelräumen (ZWR) bedinge zum einen den Flüssigkeitsverlust und führe zum anderen zu einer Zermürbung des Bandscheibenringes. Gegenläufig reparativ hierzu verliefen verfestigende Verdichtungen der Deck- und Grundplatten, die Osteochondrose, und die der Restabilisierung dienende Spondylose, bei der es zum druckflächen-vergrößerndem Kantenanbau komme. Die Folge hieraus sei eine wohltuende Versteifung der entsprechenden Wirbelsäulenabschnitte. Im vorliegenden Falle könnten die beginnende Gefügelockerung der unteren LWS und die durchgemachte Bandscheibenoperation L5/S1 als bandscheibenbedingte Erkrankung mit noch ungenügender Kompensation und Reparation angesehen werden. Die primäre Hypermobilität und der lumbosakrale Übergangswirbel in Kombination mit der statisch ungünstigen Steilstellung der Wirbelsäule stellten für die Zusammenhangsbeurteilung bedeutsame Erkrankungen und Veränderungen des Skelettsystems dar. Die erfolgte Diskussion über das Vorhandensein eines lumbosakralen Übergangswirbels sei überflüssig. Ein solcher sei eindeutig vorhanden. Eine BK liege nicht vor.

 

Ferner hat der Orthopäde und Rheumatologe Dr. F., OA im Waldkrankenhaus Bad D., am 28.01.2001 nach Untersuchung ein weiteres GA gefertigt. Der Bandscheibenprolaps L5/S1 mit nachfolgendem Postdiskonomiesyndrom sei nicht als BK anzusehen. Nach Prof. Hansis sei eine BK ausgeschlossen, wenn ein monosegmentaler Schaden vorliege. Im Falle der Klägerin seien degenerative Veränderungen im Bereich L4/5 nicht nachweisbar. Die Beschreibung eines Prolapses bzw.einer Protrusion am Segment L4/5 im MRT bzw. CT könne zum Nachweis nicht herangezogen werden. Insbesondere mangele es an belastungsadaptiven Reaktionen am genannten Segment. Daher liege lediglich ein monosegmentaler Befund vor. Auch sei ein altersvorauseilender Befund nicht erkennbar.

 

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.09.2002 abgewiesen. Eine BK-Nr. 2110 BKV sei bei der Klägerin nicht vorhanden. Zwar sei die haftungsbegründende Kausalität gegeben, jedoch sei die haftungsaus-füllende Kausalität nicht zu bejahen. Es hat sich zur Begründung auf die GA von Prof. Dr. R. und Dr. F. gestützt.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Prof. R. schließe die haftungsausfüllende Kausalität mit der Begründung aus, die bei der Klägerin bestehenden Funktionseinschränkungen seien überwiegend auf die von ihm festgestellte Hypermobilität zurückzuführen. Dieser Auffassung folge Dr. F. in seinem GA nicht. Insbesondere habe er keine Hypermobilität feststellen können. Auch den von Prof. R. als weitere Ursache genannten Übergangswirbel habe Dr. F. nicht als Grund für die Nichtanerkennung der BK angesehen. Dr. F. begründe das Nichtvorhandensein einer Bk mit der Tatsache, bei der Klägerin liege nur ein monosegmentaler Schaden vor. Zur Frage, ob ein monosegmentaler Schaden als BK anerkannt werden könne, würden in der Literatur jedoch sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. Prof. Dr. G. habe die Ansicht von Prof. Dr. R. nicht teilen können. Er habe einen Übergangswirbel ebenfalls nicht festgestellt. Angesichts der Einschätzung von Prof. Dr. G. sei die Klage zu Unrecht abgewiesen worden.

 

Auf Veranlassung der Beklagten hat die Gewerbeärztin Dipl.-Med. G. am 09.02.2004 ein weiteres GA erstellt. Die haftungsbegründende Kausalität  für eine BK-Nr. 2110 BKV sei gegeben. Gegen eine berufliche Verursachung der bei der Klägerin bestehenden bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS sprächen aber folgende Argumente: Röntgenologisch seien präoperativ in den Jahren 1995 und 1996 an der LWS - bei Skoliose, Steilstellung und Lumbalisation von S1 - keine das so genannte Altersmaß überschreitende degenerative Veränderungen nachweisbar gewesen. Lediglich der ZWR L5/S1 sei deutlich erniedrigt gewesen. Keiner der Gutachter habe spondylotische Veränderungen an der oberen LWS beschrieben.

Degenerative Veränderungen seien lediglich an der untersten LWS nachweisbar. Es bestehe kein belastungskonformes Schadensbild. Zum Zeitpunkt des Expositionsendes bzw. bis zur Begutachtung 1998 hätten Beschwerden in mehreren Abschnitten der Wirbelsäule (WS) sowie in den Schultern, Knie- und Hüftgelenken vorgelegen. 1998 sei ein Zervikalsyndrom diagnostiziert worden. Das Betroffen sein nicht wesentlich beruflich belasteter Abschnitte des Muskel- und Skelettsystems spreche gegen eine berufliche Verursachung.

 

Der Senat hat den Chirurgen Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines weiteren GA's beauftragt. In seinem nach der Untersuchung der Klägerin am 30.12.2004 erstellten GA hat er ausgeführt, bei der Klägerin habe eine erhebliche berufliche Exposition über 16 Berufsjahre bestanden. Durch den TAD seien schwerwiegende Belastungen der LWS durch Ganzkörperschwingungen als Traktoristin und Fahrerin von LKW's sowie Landwirtschaftsmaschinen und zusätzliche wiederkehrende Hebe- und Tragearbeiten von bis zu 30 kg schweren Gegenständen festgestellt worden. Die Bandscheibenerkrankung sei nach einer beruflichen Belastung von 15 Jahren eingetreten. Es bestehe somit eine plausible zeitliche Korrelation zwischen der Entwicklung des Schadensbildes und der gesicherten beruflichen Belastung. Bei Beginn der symtomatischen Bandscheibenerkrankung in Form einer Lumboischialgie in den Jahren 1994/95 sei der Nachweis erbracht worden, dass die Bandscheiben der zwei untersten LWS-Segmente erkrankt gewesen seien. Das CT der LWS vom 06.08.1996 habe einen Bandscheibenprolaps des Segments L5/S1, eine Bandscheibenprotrusion des Segments L4/5 sowie im Übrigen nach oben hin abnehmende Schäden der Bandscheiben der LWS erbracht. Auch das erste durchgeführte MRT vom 21.05.1997 habe eine Höhenminderung des ZWR L4/5 und einen Bandscheibenprolaps in diesem Segment aufgedeckt. Es sei daher ein eindeutig altersvorauseilender Verschleiß der Bandscheibe sowie der Grundplatte L5 und der Deckplatte (S1) bei der damals 34-jährigen Klägerin vorhanden gewesen.

 

Die Bandscheibenerkrankung sei nach Vollendung der dritten Lebensdekade aufgetreten. Die Klägerin sei keiner vor - oder außerberuflichen Belastung der LWS ausgesetzt gewesen. Konkurrierende Erkrankungen und/oder Einwirkungen auf die LWS aus dem provaten Bereich seien nicht vorhanden. Anlagebedingte Veränderungen der LWS bestünden ebenfalls nicht. Ein lumbosakraler Übergangswirbel sei bei der Klägerin nicht nachweisbar. Der Lumbosakralwirbel sei normal ausgebildet. Es bestehe keine Disposition zum frühen Verschleiß der Wirbelsäule und der großen Gelenke. Im Jahre 2004 hätten keine klinischen Hinweise für das Vorliegen degenerativer Veränderungen der BWS bzw. HWS vorgelegen. Wegen der berufsbe-dingten Erkrankung der Bandscheiben der untersten beiden Bewegungssegmente habe die Klägerin 1996 nach der Bandscheibenoperation ihre berufliche Tätigkeit als Fahrerin von Traktoren und Landwirtschaftsmaschinen sowie von LKW's aufgeben müssen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK-Nr. 2110 BKV seien seit 1996 erfüllt. Die MdE betrage seit 12.12.1997 10 v.H., seit 28.11.2000 15 v. H. und seit 20.12.2004 20 v.H.

Die Beklagte hat den Arbeitsmediziner Dr. R. zu seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.01.2005 veranlasst. In den vorliegenden GA werde eine Diskussion geführt, ob bei der Versicherten eine fünf- oder sechsgliedrige LWS vorliege. Diese Diskussion sei jedoch überflüssig, da auf der Thoraxaufnahme vom 23.11.1999 und der LWS-Aufnahme vom 30.04.2002 eindeutig eine fünfgliedrige LWS zu sehen sei. Der frühzeitige Beschwerdebeginn von lumbalen Rückenschmer-zen im Alter von 18 - 21 Jahren nach nur wenigen Jahren beruflicher Exposition spreche eindeutig für das Vorliegen einer Schadensanlage mit hieraus folgenden Fehlhaltungen, muskulären Dysballancen, Muskelverspannungen und einem chronischen Pseudoradikulärsyndrom. Der durch bildgebende Verfahren nachgewiesene Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 und die Bandscheibenprotrusionen in den beiden darüber liegenden Segmenten bildeten kein Indiz für das Vorliegen einer belastungsbedingten Erkrankung, da die Befunde auch in der unbelasteten Bevölkerung eine sehr hohe Prävalenz besäßen. Die monoseg-mentale Degeneration der Bandscheibe L5/S1 mit der daraus folgenden Osteochondrose und Gefüge-störung beweise ebenfalls nicht das Vorliegen einer BK, weil ein solcher Befund auch bei beschwerde-freien Personen vorhanden sei. Eine skoliotische Fehlhaltung der LWS auf der Grundlage eines schräg verformten 5. LWK sei röntgenologisch als anlagebedingte Fehlform zu identifizieren und verstärke den Verschleiß der präsa-kralen Bandscheibe. Das völlige Fehlen belastungsadaptiver Phänomene (mit Ausnahme des Segments L5/S1) sowie das völlige Freibleiben des thorakolumbalen Übergangs von altersüberschreitenden degenerativen Veränderungen der Bewegungssegmente sprächen gegen das Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes. Eine BK-Nr. 2110 BKV liege daher nicht vor.

 

Prof. Dr. K. hat am 04.03.2005 ergänzend Stellung genommen. Auf Bl. 132 bis 134 der LSG-Akte wird verwiesen. Auf Veranlassung des Senats hat Prof. Dr. K. am 23.04.2005 eine weitere ergänzende Stellungnahme gefertigt. Bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Reinigungskraft handle es sich nicht um eine solche, die im Sinne der BK-Nr. 2110 BKV für die Verschlimmerung oder das Wiederauflebender Krankheit ursächlich sein könnte. Die Klägerin müsse eine derartige Tätigkeit unter präventiven Gesichtspunkten nicht untersagt werden.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des SG's Leipzig vom 19.09.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 21.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2000 aufzuheben, festzustellen, dass bei der Klägerin ab 05.08.1996 eine Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin deshalb ab 20.12.2004 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

 

Sie erachtet das vorinstanzliche Urteil für zutreffend und stützt sich im Übrigen auf das im Berufungsverfahren eingeholte gewerbeärztliche GA und die beratungs-ärztliche Stellungnahme.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklakten.

 

                                                      Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Daher sind das Urteil des SG's  vom 19.09.2002 und der Bescheid der Beklagten vom 21.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2000 aufzuheben. Ferner ist festzustellen, dass bei der Klägerin seit dem 05.08.1996 eine BK-Nr. 2110 BKV vorliegt. Die Beklagte ist zu verurteilen, der Klägerin ab 20.12.2004 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Bei der Klägerin liegt seit dem 05.08.1996 der Versicherungsfall einer BK-Nr. 2110 BKV vor. Das Postdiskonomiesyndrom L5/S1 bei Bandscheibenvorfall sowie die sekundäre Osteochondrose und Retrospondylose sowie die Einengung der ZWR L5/S1 und L4/5 sind Folgen dieser BK. Vorliegend ist die BK-Nr. 2110 BKV i. V. m. § 551 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) maßgeblich, weil der Versicherungsfall am 05.08.1996, mithin vor dem 01.01.1997, eingetreten ist. Die Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Verletztenrente folgt jedoch aus §§ 56, 72 Abs. 1, 214 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Eine Berufskrankheit nach BK-Nr. 2110 BKV liegt vor, wenn der Versicherte an einer bandscheiben-bedingten Erkrankung der LWS leidet, die durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen (GKS) im Sitzen verursacht worden ist, und der Versicherte durch die Erkrankung gezwungen wird, alle Tätigkeiten zu unterlassen, die ursächlich für die Entstehung oder die Verschlimmerung dieser Erkrankung waren oder noch ursächlich sein können. Eingetreten ist der Versicherungsfall der BK zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Gefährdungen realisiert haben, von denen die gesetzliche Unfallversicherung Schutz gewähren soll, somit zu dem Zeitpunkt des Eintritts des Gesundheitsschadens, der die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale einer BK erfüllt (Mertens, Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Stand: 5/2005, Rn. 42 zu § 9 SGB VII). Diese sind gegeben, wenn die schädigende Einwirkung einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand verursacht hat, der die Krankheitsmerkmale eines BK-Tatbestandes erfüllt und wenn gegebenenfalls erforderlich besondere Merkmale, insbesondere die Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten, vorliegen (Bereiter- Hahn/Mertens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 2/2005, Rn. 7 zu § 9 SGB VII).

 

Das Merkmal des Unterlassens aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedi-zinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung und das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass das Merkmal der Aufgabe der belastenden Tätigkeit erst dann erfüllt ist, wenn alle belastenden Tätigkeiten in vollem Umfang aufgegeben worden sind (BSG, Urteil vom 22.08.2000, AZ.: B 2 U 34/99 R, SozR 3-5670 Anl.1 Nr. 2108 Nr. 2; BSG, Urteil vom 19.08.2003, Az.: B 2 U 27/02 R, HVBG Rd Schr VB 93/2003).

Die Klägerin hat die gefährdende Tätigkeit als Agrotechnikerin und Mechanisatorin am 05.08.1996 völlig aufgegeben. Ab diesem Zeitpunkt  war sie zunächst arbeitsunfähig erkrankt, erhielt hiernach Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bzw. absolvierte eine Umschulung zur Bürokauffrau und ging 1998/99 nebenbei einer Bürotätigkeit bei ihrem früheren Arbeitgeber nach. Als Zeitpunkt des Versicherungs-falls kommt daher nur der 05.08.1996 in Betracht. Aus der Tatsache, dass die Klägerin seit dem 22.01.2003 zwei Stunden werktäglich Reinigungsarbeiten durchführt, ergibt sich nichts anderes. Die BK-Nr. 2110 BKV setzt zwar voraus, dass alle Tätigkeiten unterlassen werden, die für die Entstehung, dieVerschlimmerung und das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können (BSG, Urteil vom 22.08.2000, a.a.O.: BSG, Urteil vom 19.08.2003, a.a.O.). Das ist hier aber auch der Fall.

Auf Veranlassung des Senats hat die Klägerin ihre Tätigkeit als Reinigungskraft folgendermaßen beschrieben: Sie putze in einer Hauptschule zwei Stunden täglich. Es handle sich um verhältnismäßig leichte Putzarbeiten, die sie - wäre sie gesund - nicht belasten würden. Jedoch müsse sie sich bedingt durch die Wirbelsäulener-krankung nach der Arbeit hinlegen und ausruhen. Die Arbeit bestehe darin, Linoliumfußböden feucht bzw. nass zu säubern, Tische abzuwischen, Waschbecken zu reinigen und Papierkörbe zu entleeren. Das Putzwasser befinde sich in einem Eimer auf dem Putzwagen. Sie fülle täglich vier Eimer mit ca. 10l Wasser und entleere diese wieder. Die Treppe reinige sie mit dem Besen. Sie sei aus der Not heraus als alleinerziehende Mutter, die Arbeitslosenhilfe i.H.v. 400 € beziehe, gezwungen, diese Arbeit auszuüben. Von diesen Angaben ist der Senat überzeugt.

 

Mit Prof. K. geht der Senat davon aus, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Reinigungs- kraft weder mit schwerem Heben und Tragen von Lasten, noch Tätigkeiten in unphysiologischer Rumpfbeugehaltung oder mit Erschütterungen der LWS verbunden ist. Sie kann daher nicht zu einer Verschlimmerung oder zu einem Wiederaufleben der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS führen. Aus präventiven Gesichtspunkten ist die leichte körperliche Tätigkeit sogar gesundheitlich sinnvoll. Sie bewirkt eine Erhöhung des Stoffwechsels der Muskulatur und führt zu einer Kräftigung der Muskulatur am Körperstamm und den Extremitäten. Zudem betrifft die BK-Nr. 2110 BKV nur Ganzkörperschwingungen (GKS). Eine derartige Exposition ist mit der Tätigkeit als Reinigungskraft nicht verbunden.

Für das Vorliegen des Tatbestandes der BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (so genannte haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Tätigkeit und der Erkrankung andererseits (so genannte haftungsausfüllende K.) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaßes im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2000, AZ.: B 2 U 34/99 R, SozR 3-5670 Anl.1 Nr. 2108 Nr. 2).

 

Die Feststellungen des TAD vom 15.05.1998, vom 16.02.2005 und vom 11.04.2005 haben ergeben, dass die Voraussetzungen einer langjährigen, vorwiegend vertikalen Einwirkung von GKS im Sitzen im Sinne einer BK.Nr: 2110 BKV bei der Klägerin erfüllt ist. Aufgrund der Ermittlungen des TAD, der Angeben der Klägerin und ergänzend auch die Einschätzungen von Prof. Dr. R, Dr. M., Prof. Dr. G und Prof. Dr. K. in ihren GA ist der Senat i.S. d. Vollbeweises davon überzeugt, dass die Klägerin langjährig (zumindest von 1978 bis 1990) GKS ausgesetzt war und die Dosis im als gesundheitsschädigend anzusehenden Bereich liegt.

Die Klägerin führte während ihrer von 1978 bis 1980 andauernden Lehre zur Agrotechnikerin ab dem 2. Lehrjahr zu einem Drittel der Arbeitszeit Feld- und Transportarbeiten mit dem Traktor MTS 50 durch. Hierbei waren erhebliche Belastungen durch Ganzkörperschwingungen (GKS) aufgetreten. Zu ca. einem weiteren Drittel der Arbeitszeit verrichtete die Klägerin verschiedene manuelle Arbeiten, beispielsweise im Rahmen der Gemüseernte auch gelegentlich das Be- und Entladen von Gemüsekisten bis 30 kg. Von 1980 bis 1985 arbeitete sie als Traktoristin in einer Landwirtschaftlichen Produktionsge-nossenschaft (LPG) 8 bis 14 Stunden täglich (verschiedene Feld- und Transportarbeiten mit Traktoren und Maschinen, wobei in bedeutendem Umfang Wochenend- und Überstundenarbeit anfielen, verschiedene Werkstattarbeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen schwerer Teile). Von 1985 bis 1997 arbeitete die Klägerin wiederum als Traktoristin in einer anderen LPG bzw. der Landwirtschafts- und Dienstleistungs GmbH N.. Auch während dieser Beschäftigungszeit verrichtete sie 8 bis 12 Stunden täglich verschiedene Feld- und Transportarbeiten mit Traktoren und Maschinen (viel Wochenendarbeit mit Überstunden, verschiedene Werkstattarbeiten mit gelegent-lichem Heben und Tragen schwerer Teile). Ab 1990 war die Klägerin 6 bis 14 Stunden täglich mit verschiedenen Feld- und Transport-arbeiten unter Einsatz von Traktoren und Maschinen, u.a. dem LKW W 50, beschäftigt. Insgesamt war die Klägerin in Landwirtschaftsbetrieben über einen Zeitraum von ca. 130 Monaten erheblichen Belastungen durch GKS ausgesetzt gewesen. Der TAD der Beklagten ermittelte in einer Expositions-analyse vom 15.05.1998 eine Gesamtdosis von Dv = 1000 bis 1200 x 10³. Der Dosisrichtwert nach der Rheinbaum-Studie liegt bei 580 x 10³.

 

Ernsthafte Gesichtspunkte, die hiergegen sprechen könnten, sind - soweit es die Zeit bis 1989 betrifft - nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht dargetan worden. Daneben war die Klägerin - wie sich aus der Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 15.08.1998 ergibt - auch gegenüber dem Heben und Tragen von Lasten exponiert. Am 16.02.2005 führte der TAD der Beklagten aus, der zuständige technische Aufsichtsbeamte habe im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb für die Zeit ab 1990 erneut Ermittlungen durchgeführt. Formell liege die Belastung unterhalb der Mehrzahl der jährlichen Arbeitsschichten. Der TAD ermittelte für die Zeit von Januar 1990 bis August 1996 eine Gesamtdosis von Dv = 216 x 10³, was einem Anteil von 37% an dem Dosisrichtwert entspricht. In der Stellung- nahme vom 11.04.2005 bekräftigte der TAD seine Auffassung, wonach ab 1990 eine Exposition nicht mehr in dem nach der für eine BK nach Nr. 2110 BKV erforderlichen Umfang vorgelegen habe.

 

Ob diesen nachgeschobenen Ermittlungen der Beklagten gefolgt werden kann, kann dahingestellt bleiben, weil die Klägerin schon bis zum Jahr 1990 die Expositionsvor-aussetzungen erfüllt hatte. Im Übrigen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin auch ab 1990 in erheblichem Umpfang GKS ausgesetzt war (rund 2/5 des Dosisrichtwertes). In diesem Zusammenhang ist es kaum anzunehmen, dass die Arbeitsbedingungen jedenfalls in den Jahren 1990 und 1991schon wesentlich anders und besser als in der Zeit davor waren. Aber selbst wenn man dies unterstellt, war die Klägerin von 1978 bis 1989 in ausreichendem Maße exponiert. Geht man von 16,5 Jahren (ohne das Jahr 1978, ohne das "Babyjahr", ohne 2 Monate Arbeitsun-fähigkeit 1995) und einer (für die Zeit ab 1990 zu hoch geschätzten) Gesamtdosis von Dv 1100 x 10³ (Durchschnitt von 1000 bis 1200 x 10³) aus, dividiert diesen Wert durch die Zahl der Jahre und multipliziert ihn mit 10,3 Jahren (1979 bis 1989), ergibt dies die Gesamtdosis von Dv = 680 x 10³. Dies liegt über dem Grenzwert, bei dem es sich im Übrigen nicht um einen echten Grenzwert, sondern um einen Orientierungs-wert handelt (zum MDD vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2003, AZ.: B 2 U 13/02 R,SozR 4-2700 § 9 Nr.1).

Die Klägerin leidet seit dem 05.08.1996 an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Dies haben die GA Prof. Dr. R., Dr. M., Prof.Dr. G., Dr. F. und Prof. Dr. K. übereinstimmend zur vollen Überzeugung des Senats festgestellt. Hiernach besteht bei der Klägerin ein Postdiskotomiesyndrom L5/S1, ein zumindest zeitweilig bestehendes lumbales Wurzelreizsyndrom des Segments L4/5 bei Bandscheiben-vorfall, eine sekundäre Osteochondrose und eine Retrospondylose beider Segmente mit Einengung der ZWR L5/S1 und L4/5. Diese Erkrankungen führten zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit ab 05.08.1996, die die Aufgabe des Berufes der Agrotechnikerin und Traktoristin nach sich zogen. Die bandscheibenbedingte Erkrankung wurde auch mit Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit der Klägerin als Traktoristin und Argotechnikerin wesentlich (mit-) verursacht.

 

Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS sind regelmäßig nicht monokausal erklärbar, weil nicht nur berufliche Belastungen auf die LWS einwirken, sondern immer auch eine Disposition (Vulnerabilität) eine Rolle spielen kann. Denn, wenn schon unter "normalen" Belastungen des täglichen Lebens bandscheibenbedingte Erkrankungen auftreten, ist immer damit zu rechnen, dass auch Versicherte, die langjährig den in BK-Nr. 2110 BKV genannten Belastungen ausgesetzt sind, zu dem Personenkreis gehören, dessen Bandscheibengewebe allgemein weniger widerstandsfähig ist. Bei solch kausaler Konkurrenz ist nach der im Sozialrecht geltenden Kausalitätstheorie unter Abwägung des Wertes der einzelnen Bedingungen festzustellen, ob das versicherte Risiko (mit Wahrscheinlichkeit) rechtlich wesentlich zum Erfolg beigetragen hat. Dabei schließt die Mitwirkung (einer oder mehrerer) rechtlich wesentlicher Ursachen aus dem unversicherten Bereich den Versicherungsschutz nicht aus. Das ist nur der Fall, wenn solche Umstände rechtlich allein wesentlich sind. Sie müssen die versicherten Umstände überragen oder - anders ausgedrückt - in den Hintergrund drängen. Rechtlich wesentlich sind die beruflichen Ursachen mithin nicht nur dann, wenn sie im Vergleich zu den übrigen Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig sind, sondern bereits auch dann, wenn sie zwar nicht gleichwertig, aber auch nicht völlig zu vernachlässigen sind. Dabei muss die jeweilige Beziehung zum Erfolg nicht sicher feststehen, sondern nur wahrscheinlich sein. Diese Grundsätze sind auch auf die Kausalitätsbetrachtung von berufsbedingten Bandscheibenerkrankungen des LWS und deren weiteren Folgen anzuwenden (Urteil des Senats vom 25.10.2002, AZ.: L 2 U 41/1999; ständige Rechtsprechung).

Der Senat geht davon aus, dass der versicherten Tätigkeit der Klägerin eine solchermaßen umschriebene wesentliche Bedeutung zukommt, weil die anderen berufskrankheitsunabhängigen Ursachenbeiträge nicht von überragender Bedeutung sind.

 

Bei der Klägerin liegen keine wesentlich altersvorauseilenden degenerativen Veränderungen an der HWS und BWS vor. Prof. Dr. K. hat in den Röntgenauf-nahmen der BWS und der HWS aus den Jahren 1998 und 1999 keine degenerativen Veränderungen feststellen können. Dies deckt sich mit den Bewertungen von Prof. Dr. R.und Dr. M. in ihren GA vom 20.10.1999, wonach auf den Röntgenauf-nahmen der BWS und der HWS vom 31.07. und 16.10.1998, " keine wesentlichen erkennbaren degenerativen Veränderungen" vorhanden seien. Auch Prof. Dr. G. hat keine degenerativen Verände-rungen an der BWS und der HWS beschrieben. Dem Senat erschließt sich nicht, warum Dr. O. zur Verneinung eines Kausalzusammen-hangs auch auf den HWS-Befund abstellt, zumal auch er nur eine "leichte Unkarthrose" und beginnende Spondylosis deformans bei C5/6 beschreibt. Schließlich erläutert Dipl.-Med. G. in ihrem für die Beklagte erstellten GA nicht näher, warum auch nicht wesentlich beruflich belastete Abschnitte des Muskel- und Skelettsystems der Klägerin angeblich betroffen seien. Sie nimmt insoweit nur auf Dr. O.'s Befunderhebungen Bezug.

 

Zudem ist es nach Auffassung des Senats nicht zulässig, zu fordern, dass der nicht berufsbedingt exponierte Abschnitt der Wirbelsäule (WS) nicht oder nur weniger degenerativ verändert ist als der belastete. Häufig wird sich dieser Argumentation bedient, wenn sowohl die LWS als auch die HWS und BWS bandscheibenbedingte Erkrankungen aufweisen. Diese These ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (u.a. Urteil vom 25.10.2002, AZ.: L 2 U 175/99) jedoch nicht plausibel. Denn sie würde zu einem nur dann ein verlässliches Ausschlusskriterium darstellen, wenn bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS und BWS auch ohne berufliche Exposition der LWS nahezu immer mit einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS eingingen, also nicht isoliert aufträten. Dies ist nirgends belegt. Zudem geht die These, wonach schwerwiegende Veränderungen im beruflich nicht exponierten HWS-Bereich einen Rückschluss auf die berufsunabhängige Entstehung im beruflich exponierten LWS-Bereich zuließen, von der stillschweigenden Voraussetzung aus, dass das gesamte Bandscheiben-gewebe im Einzelfall aus ansonsten nicht näher bekannten und vorab erkennbaren Gründen anlagebedingt minderwertig(er) sei. Es handelt sich also um ein indirektes Verfahren. Da aber jede Bandscheibe durch langjährige Einwirkung von GKS im Sitzen belastet wird, aber  nicht bei jedem Exponierten eine entsprechende bandscheibenbedingte Erkrankung auftritt, setzt die Entstehung einer Berufskrankheit immer eine - individuell verschiedene - Vulnerabilität gegenüber beruflichen Einwirkungen voraus. Sind die Veränderungen deutlich unterschiedlich und der nicht oder wesentlich geringer exponierte Wirbelsäulenbereich wesentlich stärker degenerativ verändert als der beruflich stark belastete Wirbelsäulenbereich, kann nicht plausibel auf eine generelle Minderbelastbarkeit des Bandscheibengewebes geschlossen werden. Denn dann müssten im exponierten Wirbelsäulenabschnitt erst recht degenerative Veränder-ungen nachweisbar sein. Bei in etwa gleichwertiger degenerativer Veränderung von HWS, BWS und LWS gilt nichts anderes. Geht man in derartigen Fällen von der These der generalisierten Minderwertigkeit des Bandscheibengewebes aus, müsste der exponierte Wirbelsäulenabschnitt einen stärkeren Befund aufweisen als der nicht exponierte. Sind aber die Bandscheiben der beruflich exponierten LWS noch stärker degenerativ verändert als die Bandscheiben der HWS und BWS, legt dies die Annahme im Einzelfall nahe, dass das Bandscheibengewebe zwar physiologisch minderwertig ist, jedoch die berufliche Exposition gleichwohl eine wesentliche Teilursache darstellt. Daraus folgt, dass ein Vergleich zwischen exponierten und nicht exponierten Wirbelsäulen-abschnitten nur geeignet ist, einen Kausalzusammenhang unter bestimmten Voraussetzungen zu stützen, nicht jedoch ihn in Zweifel zu ziehen, ohne die eigenen gedanklichen Prämissen zu verletzen.

 

Die Wirbelsäulensegmente L5/S1 und L4/5 der Klägerin, die nachweislich erheblich berufsbedingt exponiert waren, sind wesentlich stärker degenerativ verändert als diejenigen der HWS und BWS. Röntgenologisch sind in dem nachvollziehbaren und schlüssigen GA von Prof. Dr. K., dem GA von Prof. Dr. G. und in dem während des stationären Aufenthalts vom 02.10.1996 bis 19.10.1996 im Universi-tätsklinikum L. erhobenen Röntgenbefund eine Aufbrauchung des ZWR L5/S1, eine Verschmälerung des ZWR L4/5, eine schwere Osteochondrose und spangenbildende ventrale Spondylose bei L5/S1 und eine deutliche Osteochondrose L4/5 nachgewiesen. Zudem sind aufgrund der MRT-Untersuchungen vom 21.05.1997 und 09.09.1999 sowie der CT-Aufnahmen vom 24.10.1995, 06.08.1996 und 21.11.2002 eine Protrusion im Segment L3/4 sowie Bandscheibenvorfälle an den Segmenten L5/S1 und L4/5 nachgewiesen. Ferner wurde bei der Klägerin mehrfach ein Wurzelreizsyndrom festgestellt. Während des stationären Aufenthalts der Klägerin vom 02.10. bis 19.10.1996 war das Lasegue-Zeichen links bei 40 Grad positiv, MR. Dr. O., Prof. Dr. G. und Prof. Dr. K. wiesen in ihren GA jeweils ein Lasegue-Zeichen rechts bei 60 Grad positiv aus. Es kann daher - wenn man das Differenzargument als gültig ansieht - gefolgert werden, dass gerade die erheblichen beruflichen Belastungen maßgeblich zum vorzeitigen Verschleiß des exponierten Wirbelsäulenabschnittes geführt haben. Das Differenzargument stützt folglich im vorliegenden Fall die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs.

Daneben besteht bei der Klägerin entsprechend der übereinstimmenden Feststellungen durch die gehörten Sachverständigen lediglich eine ganz leichte rechtskonvexe Skoliose mit dem Scheitelpunkt bei TH 8 der BWS und eine sehr leichte linkskonvexe Skoliose mit Scheitelpunkt bei L2/3 der LWS, die jedoch den bandscheibenbedingten Schaden der Klägerin nicht erklärt. Überzeugend hat Prof. Dr. K. dazu ausgeführt, dass "der schiefe Sitz" des 4 LWK und die linkskonvexe Skoliose der LWS mit Wahrscheinlichkeit mittelbare Folgen der primären Erkrankung der Bandscheibe L5/S1 seien, weil es für eine anlagebedingte Skoliose keine Hinweise gebe. Prof. Dr. R. und Dr. M., Dipl.-Med. G. sowie Dr. R. haben als Voraussetzung für die Anerkennung eines Kausalzusammenhanges belastungsadaptive Reaktionen gefordert.

 

Diese Sachverständigen haben sich auf Untersuchungen von Wukasch, Nehring und Weber bezogen, wonach sich spondylotische Veränderungen signifikant häufiger im oberen und mittleren LWS-Abschnitt von Personen fänden, die gegen-über GKS exponiert gewesen seien. Insbesondere sei der thorakolumbale Übergang betroffen. Derartige Veränderungen wies die Klägerin weder bei Eintritt des Versich-erungsfalls noch weist sie diese bislang auf. Dies hat den Senat aber nicht veranlasst, deswegen die Berufung zurückzuweisen. Denn Prof. Dr. K. hat ausgeführt, dass eine berufsbedingte vertikale Einwirkung von GKS überwiegend im unteren und mittleren Abschnitt der LWS auftritt. Wegen der unmittelbaren Schwingungsübertragung vom Becken auf die Wirbelsäule wird der untere LWS-Abschnitt in sitzender Körperhaltung besonders stark belastet. Nach einer von Prof. Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 04.02.2005 zitierten Untersuchung von Schwarze, Tonscheidt und Notbohm aus dem Jahre 1999 ist bei ansteigender Schwingungsbelastung eine Zunahme in der Schwere der Degeneration sowie eine stärkere Verringerung der Bandscheibenhöhe L5/S1 festgestellt worden. Nach deren für den HVBG vorgenommenen Erhebungen führten Schwingungseinwirkungen jedoch nicht zu weiteren Veränderungen im Rö-Bild, die eine Differenzierung zwischen berufsbedingter und nicht berufsbedingter Schädigung erlauben würde. Aufgrund dieser kontroversen wissenschaft-lichen Diskussion, die offensichtlich mehr Facetten hat, als Prof. Dr. R., Dr. M., Dipl.-Med. G. und Dr. R. dem Leser ihrer GA darzustellen bereit sind, geht der Senat davon aus, dass die Diskussion über typische belastungsadaptive Veränderungen bei GKS nicht am Ende angelangt ist, sondern erst den Beginn eines wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmenden wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses markiert. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang für den Senat, dass es ihm mangels Sachkunde verwehrt ist, hier Partei zu ergreifen, es jedoch auch keine Möglichkeit gibt, bereits jetzt eine verlässliche Gewissheit über den von den Sachverständigen Prof. Dr. R., Dr. M., Dipl.-Med. G. und Dr. R. ins Feld geführten angeblichen medizinischen Erfahrungssatz zu erlangen. Auch die Beklagte hat insoweit in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt. Dies bedeutet für den Senat, dass derzeit das Argument "belastungsadaptive Reaktionen" bei GKS im Sinne einer BK-Nr. 2110 BKV keine ausreichende Validität besitzt und daher unbeachtet bleiben muss.

 

Die von Prof. R. und Dr. M. festgestellte Hypermobilität der LWS (Schobersches Zeichen von 10/16 cm) konnte von den übrigen Sachverständigen - für den Senat nachvollziehbar - nicht bestätigt werden. Mr. Dr. O. stellte ein Schobersches Zeichen von 10/14 cm, Dr. F. ein solches von 10/13, Prof. Dr. K. von 10/13 cm fest. Eine über das normale Maß hinausgehende Beweglichkeit wurde folglich nicht erhoben. Auch der von Prof. Dr. R. in seinem GA vom 20.04.2001 ermittelte Finger-Boden-Abstand von 10 cm spricht eher gegen eine Hypermobile Wirbelsäule. Mr. Dr. O., Prof. Dr. G., Dr. F., Prof. Dr. K. und Dr. Ro. gehen allesamt nicht vom Vorliegen eines lumbosakralen Übergangswirbels aus. Sie haben, nachdem Prof. Dr. R. diese Diagnose ins Gespräch gebracht hat, intensiv die Rö-Aufnahmen hiernach durchschaut und übereinstimmend und nachvollziehbar erläutert, dass lediglich fünf LW-Segmente vorliegen. Der Senat hat aufgrund dessen hieran keinen Zweifel.

Soweit Dr. O., Dr. F. und Dr. R. darauf abstellen, dass es sich hier um eine monosegmentale Bandscheibenerkrankung handele, kann dies der Senat nicht nachvollziehen. Zutreffend weist Prof. Dr. K. darauf hin, dass 1996 keine monosegmentale Bandscheibenerkrankung vorgelegen habe, weil durch bildgebende Verfahren (CT, MRT) belegt sei, dass neben L5/S1 auch L4/5 betroffen gewesen sei. Neben einem flachen subligamentären Nucleus pulposus prolaps (NPP) bei L5/S1 bestand bei L4/5 auch eine dorsomediane Discusprotrusion (vgl. nur CT-Befund vom 06.08.1996). Im MRT-Befund vom 21.05.1997 gibt der Radiologe Dr. N. folgende Bewertung ab: " Bandscheibendegeneration mit umschrieben dorsomedialem Prolaps L4/5. Deutliche narbige Veränderungen im Spinalkanal links bei Zustand nach OP L5/S1".

 

Die Klägerin wurde wegen LWS-Beschwerden erstmals im Jahre 1994 ärztlich behandelt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Sozialversicher-ungsausweisen der Klägerin und der Stellungnahme der AOK-Sachsen. Angesichts der Exposition der Klägerin seit ihrer Lehrzeit (mit Exposition ab 1979) ist eine stimmige Korrelation zwischen Exposition und Eintritt behandlungsbe-dürftiger Erkrankungen der LWS vorhanden. In diesem Zusammenhang erachtet es der Senat für geboten, nochmals mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen, dass auch für die Wirbelsäulen-berufskrankheiten die Lehre von der wesentlichen Bedingung uneingeschränkt gilt. Zwar indiziert die Exposition nicht bereits einen kausalen Zusammenhang zwischen ihr und der bandscheibenbedingten Erkrankung. Auch gibt es bei dieser BK keine eindeutigen positiven Befunde, die - immer im Sinne der Wahrscheinlichkeit - zwingend einen Kausalzusammenhang nahelegen. Dies bedeutet aber auch nicht, dass konkurrierende Ursachen zwingend den Kausalzusammenhang ausschließen. Vielmehr bedarf es hier einer sorgfältigen Abwägung, die aber dabei nicht aus dem Blick verlieren darf, dass die Wirbelsäulenberufskrankheiten als solche vom Verordnungsgeber anerkannt sind. Argumentationen, die darauf angelegt sind, die BK-Tatbestände der Nr. 2108 - 2110 BKV auszuhebeln, sind daher mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen. Im Übrigen ist immer zu prüfen, ob Schadens-anlagen die individuelle Vulnerabilität gegenüber den in BK-Nr. 2108 - 2110 BKV genannten Expositionen deutlich erhöhen, ohne dass die Exposition lediglich zum Anlassgeschehen wird. Da - wie oben dargestellt - die Klägerin nicht nur grenzwertigen beruflichen Belastungen ausgesetzt war, daneben zeitweise schwere Lasten gehoben und getragen hat und die dauerhaften LWS-Beschwerden erst nach langjähriger beruflicher Tätigkeit eintraten, aber doch bereits in der Mitte des 4. Lebensjahr-zehntes, und keine relevanten konkurrie-renden Ursachen vorgelegen haben, spricht nach Auffassung des Senats mehr für als gegen eine wesentliche Teilverursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung in den unteren LWS-Segmenten durch die berufliche Exposition. Andere konstitutionelle und anlagebedingte Ursachen, die das Auftreten der Gesundheitsstörungen in den beiden unteren LWS-Segmenten wesentlich allein plausibel erklären, liegen nicht vor. Sie ergeben sich nach Auffassung des Senats aus den o.g. Gründen insbesondere auch nicht aus den von Prof. Dr. R. und Dr. M. gefertigten GA. Eine familiäre Disposition zur Erkrankung am Stütz- und Bewegungsapparat besteht nach dem überzeugenden und ausführlichen GA von Prof. Dr. K. nicht. Die Eltern und Geschwister der Klägerin litten bzw. leiden nicht an WS-Erkrankungen.

 

Bei der Klägerin bestand auch ab Eintritt der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit am 05.08.1996 - wie sich aus den GA von Prof. Dr. R. und Dr. M., Prof. Dr. G. und Prof. Dr. K. übereinstimmend ergibt - ein Zwang zur Unterlassung aller schädigenden Tätigkeiten. Seit dem 05.08.1996 liegen folglich die Voraus-setzungen der BK-Nr. 2110 BKV vor. Mit Prof. Dr. K. und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 02.05.2001, AZ.: B 2 U 24/00 R, SozR 3-2200 § 581 Nr.8) ist die MdE ab 20.12.2004 mit 20 v. H. zu bewerten. Bei der Klägerin besteht seit diesem Tag klinisch ein Lumbalsyndrom mit provozierbaren bewegungsabhängigen Schmerzen der unteren LWS, eine deutliche Bewegungsein-schränkung der LWS. Ferner sind lumbale Wurzelsyndrome durch die Irritation der linksbetonten Nervenwurzel der Bewegungssegmente L4/5 und L5/S1mit Provokation eines Ischiasdehnungsschmer-zes,Sensibilitätsstörung im DermatomL4 bis S1 links, Fuß- und Großzehenheber-schwäche links und Abschwächung des Achillissehnenreflexes links vorhanden. Auch Dr. R. hat in seiner Stellungnahme die Richtigkeit einer MdE von 20 v.H. indirekt bestätigt, weil er meint, die von Prof. Dr. G. vorgeschlagende MdE von 10 v.H. wirke "mehr als halbherzig". Der Beginn der Verletztenrente richtet sich hier nach § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII analog, weil der hier nicht streitgegenständliche Verletztengeldanspruch spätestens mit dem Abbruch der Umschulungsmaßnahme endete (§ 46 Abs.3 Satz 2 SGB VII), zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztenrente erfüllt waren. Nach alledem waren das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufzuheben.

 

 Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Mit der Vertreterin der Beklagten wurde während der mündlichen Verhandlung die Auffassung des erkennenden Senats ausführlich erörtert und diese aufgefordert, die Notwendigkeit der Revisionszulassung zu begründen. Die Vertreterin der Beklagten vermochte nicht, Gründe für eine Zulassung der Revision anzuführen. Sie beschränkte sich insoweit auf die Stellung des Hilfsantrages.

 

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© Ramona Uhlisch